"Es wird Zeit, dass wir in die Genetik gehen. Dafür schicken wir Sie zu den besten Ärzten." Man überwies mich in ein Wiener Spital und vereinbarte mir sofort für den nächsten Vormittag einen Termin zur Fruchtwasseruntersuchung. So lange hatte ich mich gegen einen invasiven Eingriff gewehrt, jetzt sah ich ein, dass es mein letzter Ausweg war um Gewissheit zu haben. "Zu 30% hat Ihr Baby Down-Syndrom", sagte man uns nach der ersten Ulltraschalluntersuchung am nächsten Vormittag, bei der die Biometrie unseres Babys mit den Werten vom Vortag verglichen wurde. "Verdacht auf Chromosomenfehler." Ich wollte es nun endlich wissen, konnte die ganzen unterschiedlichen Vermutungen und die Ungewissheit nicht mehr ertragen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den risikoverbundenen Eingriff in Kauf zu nehmen. Ich beschäftigte mich jedoch nicht mit dem Gedanken, dass etwas schief gehen könnte und blieb zuversichtlich...
Vor der Fruchtwasseruntersuchung war ich ungewöhnlich gelassen. In Gedanken entschuldigte ich mich bei meinem Baby. Ich hatte im Internet einiges über die Amniozentese gelesen und mich im Vorfeld genauestens informiert. Es war von einer recht "langen Spritze" die Rede, die unter Ulltraschallbeobachtung über die Bauchdecke in die Gebärmutter gestochen wird, um eine gewisse Menge an Fruchtwasser zu entnehmen. In Gedanken malte ich mir eine einen halben Meter lange Spritze aus. Über die Schmerzhaftigkeit des Eingriffs schieden sich die Geister. Einige empfanden den Eingriff als recht schmerzhaft, andere meinten er sei nicht unangenehmer als eine normale Blutabnahme. Mein Freund begleitete mich zur Untersuchung und hielt mir die Hand. Der Eingriff dauerte nicht länger als eine halbe Minute und ich empfand ihn als halb so schlimm. Ich hatte Blutabnahmen erlebt, die schmerzhafter waren. In kürzester Zeit war die Nadel wieder entfernt (laut meinem Freund war sie etwa 18 cm lang- lächerlich im Vergleich zur Nadel in meiner Vorstellung) und der Spuk vorbei. In bereits zwei Tagen sollten wir ein Schnelltest- Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung, des sogenannten "FISH-Tests" erhalten, der die Gene auf die häufigsten Chromosomenfehler untersucht. Das Langzeitergebnis wäre zwei Wochen später verfügbar. Die nächsten zwei Tage hieß es wieder Nerven zu bewahren.
Am Donnerstag, 22. Dezember, saßen mein Freund und ich ohne jegliche Hoffnung im Wartebereich der Risiko Fetal Station. Ich erwartete mir nicht mehr als die Bekanntgabe einer Zahl: 13, 18 oder 21 - hatte jedoch mittlerweile eine eindeutige Vermutung. Mein Freund und ich tauschten noch ein paar letzte Gedankengänge aus, bevor wir endlich aufgerufen wurden. In unserer Annahme waren wir uns einig: In ein paar Minuten würde uns wohl mitgeteilt werden, dass unser Baby ein X-Chromosom zu viel hat, Ergebnis: Trisomie 21.
Kurze Zeit später befanden wir uns im Untersuchungsraum. "Haben Sie bereits einen Termin zum fetalen MRT?", fragte man uns. Wir teilten der Ärztin mit, dass wir erst das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung abwarten wollten. Sie bat mich auf das Ulltraschallbett zu legen und meinen Bauch frei zu machen. "Chromosomen waren unauffällig", murmelte sie so nebenher. "Wie bitte?", fragte ich. "Kein Hinweis auf einen Chromosomenfehler." Wir konnten es, nach allem was uns bereits gesagt wurde, kaum glauben. "Der Herzfehler Ihres Babys ist jedoch komplexer als bisher angenommen", sagte uns die Herzspezialistin. "Ihr Baby bräuchte nach der Geburt mehrere Operationen." Die Aussage der Ärztin konnte uns nicht mehr erschüttern. Die Hoffnung auf unser Baby war nicht mehr völlig verloren.
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