Der dunkelste Tag- beim Pränataldiagnostiker

"Das kommt bestimmt öfters vor, dass die Nackenfalte nicht passt, oder?", fragte meine Mutter, die mich zum Termin begleitet hatte nach der Untersuchung, in der Hoffnung eine beruhigende Antwort zu erhalten. Der Gesichtsausdruck der Sprechstundenhilfe sprach Bände. Sie schaute, als hätte sie so etwas überhaupt noch nicht erlebt. Irritiert übernahm ich meinen Mutter-Kind-Pass, der mir soeben ausgestellt wurde, sowie einen Geschenkskoffer mit Informationen und Proben für Schwangere bzw. das noch ungeborene Baby. Freuen konnte ich mich darüber nicht mehr. Völlig aus der Fassung googelte ich in den nächsten Minuten im Auto den Begriff "Nackenfaltenmessung"...

 

Bei der Nackenfalte (bzw. "Nackentransparenz") als Bestandteil des Ersttrimesterscreenings zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung/Lymphansammlung im Nackenbereich des Embryos. Überschreitet diese einen Wert von 2,5mm so spricht man von einer auffällig erhöhten Nackenfalte- die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind einen Chromosomenfehler hat, ist erhöht. Im Eiltempo überflog ich die verschiedensten Erfahrungsberichte. Die meisten gaben Anlass zur Hoffnung. So gab es z.B. Babys, die eine Nackenfalte von 6 oder gar 8mm aufwiesen und trotzdem kerngesund zur Welt kamen. Es gab jedoch auch die anderen Fälle, in denen die Nackentransparenz wie bei meinem Fetus 3,5mm betrug und sich schließlich herausstellte, dass das Baby eine Trisomie hatte. Dass es sich in meinem Fall um einen Irrtum handelte und mein Baby gesund ist, davon war ich jedoch immer noch überzeugt...

 

Alles andere war für mich ausgeschlossen. Es gab überhaupt keinen Grund, warum mein Baby einen Gendefekt haben sollte, wir befanden uns als Eltern aufgrund unseres Alters weder in der Risikogruppe, noch hatten wir in der Verwandtschaft irgendwelche Auffälligkeiten. Eilig durchsuchte ich das Internet nach Adressen eines Pränataldiognostikers in Wien. Ich musste so schnell es geht Gewissheit haben. Ich brauchte dringend Entwarnung. Zu meiner Erleichterung fand ich einen Pränataldiagnostiker, bei dem ich noch für den selben Tag einen Termin für den sogenannten "Combined Test" bekam.

 

Dabei handelt es sich um eine Wahrscheinlichkeitsberechnung für Trisomie 21, 13 und 18 bzw. Störungen der Erbanlagen, die sich aus dem Wert der Nackentransparenz, Ulltraschallmessungen, einem speziellen Bluttest sowie genetische Vorbelastung und dem Alter der Mutter, zusammensetzt.

 

In den Stunden zwischen den beiden Terminen war ich komplett verzweifelt. Ich konnte zwar immer noch nicht so recht glauben, dass mit meinem Baby im Bauch etwas nicht stimmen sollte, war durch den Termin am Vormittag jedoch komplett verunsichert. Überdies konnte ich überhaupt nicht verstehen, wieso mein Frauenarzt die Nackenfalte meines Babys überhaupt gemessen hatte, wo ich mich doch eigentlich - durch das Ausfüllen des Informationsblatts so dachte ich - dezitiert gegen das Ersttrimesterscreening entschieden hatte. Eigentlich wollte ich es doch garnicht wissen, jetzt war es zu spät.

 

Im Wartezimmer des Pränataldiagnostikers war mein Freund, der nur von meinen Erzählungen wusste, wie meine Untersuchung am Vormittag abgelaufen war, immer noch guten Mutes: "Der Arzt wird uns Entwarnung geben, ich bin mir sicher. So viele Leute bekommen gesunde Kinder. Wie unwahrscheinlich ist es, dass unser Kind nicht gesund ist, du wirst sehen!" Ich hoffte inständig, dass er recht behielt.

 

Ein paar Minuten später lag ich erneut an diesem Tag auf einem Untersuchungsbett. Der Pränataldiagnostiker klärte uns darüber auf, dass das Ziel seiner Berufsgruppe darin lag, die Kinder mit Chromosomenstörungen aus der Vielzahl der gesunden Kinder zu erkennen bzw. "herauszufiltern". "Was würden Sie tun, wenn sich herausstellt, dass Ihr Kind das Down-Syndrom hat?", fragte er uns. "Wir wissen es nicht", antwortete ich. So weit hatten wir noch nie gedacht.

 

Es folgte eine halbstündige Untersuchung, unter anderem mit einem Doppler-Sonographen, einer mehrfach verstärkten Technik der Ulltraschallmessung, bei der die Durchblutungsströme im Körper und Gehirn des Embryos sichtbar gemacht werden können. Es vergingen einige Momente der Stille. "Es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen, dass Ihr Kind mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit einen Chromosomenfehler hat. Ich würde Ihnen empfehlen, sich eine Selbsthilfegruppe zu suchen."

 

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